Der Begriff der Barrierefreiheit wird in Deutschland auf zwei Arten verwendet, einerseits soziologisch, andererseits juristisch. In soziologischer Hinsicht wird der ursprünglich als „Integration“ verwendete Begriff durch das Konstrukt der kulturellen Barrierefreiheit abgelöst. Hierzu gehört die Gestaltung von institutionellen Lebensräumen für alle in einer Gesellschaft lebenden Menschen unter Berücksichtigung ihrer kulturellen Vielfalt. Es gilt in erster Linie Institutionen auf ihre interkulturstiftenden Potenziale zu überprüfen, um barrierefreie Räume jenseits von Routinen und diskriminierenden Ritualen herzustellen. In juristischer Hinsicht findet der Begriff Anwendung im Kontext des Behindertengleichstellungsgesetzes. Hier geht es um die gesetzlich verbriefte Teilhabe eines jeden Menschen an allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Darüber hinaus muss in jeder Hinsicht eine Lebensgestaltung ermöglicht werden, die selbstbestimmt ist. Um dies umsetzen zu können, sind sämtliche im Alltag verwendeten Bereiche grundsätzlich barrierefrei zu gestalten. Das bedeutet, dass sie von Menschen mit Behinderung ohne erschwerte Bedingungen und idealerweise ohne Inanspruchnahme von Hilfestellung durch weitere Personen genutzt werden können.
Barrierefreiheit beim Einkauf
Geschäfte, insbesondere große Läden, beispielsweise Supermärkte, sind bei der Frage nach einer barrierefreien Bauweise vor große Herausforderungen gestellt. Die gesetzlichen Vorgaben aus dem Behinderungsgleichstellungsgesetz finden in Deutschland in der sogenannten Landesbauordnung eines jeweiligen Bundeslandes Anwendung. Die genauen Vorgaben sind hierbei Ländersache. Grundsätzlich einheitlich geregelt ist das Prinzip der barrierefreien Nutzung sowohl des zu einem Laden gehörenden Grundstücks, als auch zur Nutzung des Ladens selbst. Die UN-Behindertenrechtskonventionen haben die Barrierefreiheit gesetzlich in ihren Statuten verankert und für alle Mitgliedsstaaten verpflichtend gemacht. Beim Ladenbau ist das Geschäft so zu gestalten, dass sich Gehbehinderte ebenso wie Rollstuhlfahrer nach Möglichkeit ohne fremde Hilfe ins Geschäft begeben und darin einkaufen können. Weiterhin fallen auch Personen mit Kinderwägen darunter.
Beim Ladenbau wird idealweise die barrierefreie Planung der Ladeneinrichtung bereits vor Baubeginn mit den Architekten vereinbart. Im Nachhinein, bei einem Umbau eines bestehenden Geschäftes, ist die Umsetzung deutlich komplizierter und kostspieliger, weil meist die vorhandene Einrichtung vollständig umgebaut werden muss. Die meisten Firmen beschäftigen zertifizierte Fachplaner für barrierefreie Bauweisen und orientieren sich bei Planung und Umsetzung an den Erkenntnissen der Behindertenverbände und lassen sich von diesen bei der Gestaltung beraten. Zu den Mindeststandards für ein barrierefreies Geschäft gehören entsprechend verbreiterte Türen, Rampen, breite Wege zwischen den Regalreihen und großzügige Rangiermöglichkeiten im Kassenbereich.
Zum barrierefreien Einkauf gehört nicht nur der Bereich der Gehbehinderung. Auch Seh- und Hörbehinderungen müssen beim Ladenbau berücksichtigt werden und durch entsprechende akustische beziehungsweise visuelle Informationsmöglichkeiten dargestellt werden. Darunter fallen Markierungen auf Treppenstufen sowie Sichtblenden auf Glastüren. Darüber hinaus erleichtern gut lesbare Preisschilder und Leitstreifen auf Böden den Einkauf für Sehbehinderte. Die entsprechenden Beschilderungen sind jedoch bislang noch eine freiwillige Leistung des Ladenbesitzers und nicht einheitlich geregelt.
Zertifikat für barrierefreies Einkaufen
Es gibt verschiedene Zertifizierungsmöglichkeiten die einem Besucher deutlich machen, ob ein besuchtes Geschäft barrierefrei ist. Da es unterschiedliche Prüfsiegel gibt, die für den Laien nicht unbedingt verständlich sind, bleibt es dem Interesse des Kunden vorbehalten, sich vorab über die verschiedenen Symbole zu informieren. Auch bringen bislang nur wenige Geschäfte ein solches Prüfsiegel sichtbar im Eingangsbereich an, sodass Kunden unter Umständen in einem einwandfrei barrierefrei ausgestatteten Geschäft einkaufen, ohne dies zu wissen.
Zu den in der Branche bekanntesten Zertifizierungen gehört das „DIN CERTCO Zertifikat“. Dieses wird vergeben an Architekten, Bauplaner, Ingenieure und Handwerker, die erfolgreich theoretische und praktische Erfahrung in barrierefreiem Bauen nachweisen können und dazu geprüft wurden. Das damit verbundene Siegel „Barrierefrei DIN geprüft“ findet sich in vielen Geschäften, die darauf hinweisen wollen, dass ihr Betrieb barrierefrei konzipiert und gebaut wurde. Weiterhin gehört das „TÜV-Siegel für barrierefreies Einkaufen“ zu den bekannteren Zertifikaten. In der Regel gibt es jedoch in den jeweiligen Bundesländern unterschiedliche Zertifikate. Auch die Behindertenverbände weisen auf verschiedene Logos hin.
Barrierefreiheit in Zukunft immer wichtiger?
Wirft man einen Blick auf den demokratischen Wandel in Deutschland stellt man schnell fest, dass es in Zukunft wohl immer wichtiger für Ladengeschäfte wird barrierefreies Einkaufen zu garantieren. Deutschland hat schon heute den größten Anteil an über 65-jährigen in der Gesamtbevölkerung im europäischen Vergleich. Nach heutigem Wissensstand wird sich dies auch nicht ändern, dass Gegenteil ist der Fall, die Bevölkerung in der Deutschland wird immer älter.
Lag die durchschnittliche Lebenserwartung für Frauen die 2011 geboren wurden bei 82,7 Jahren, so liegt sie 2060 schon bei 89,2. Damit steigt die Lebenserwartung um fast sieben Jahre. Die Lebenserwartung der Männer gleicht sich leicht der der Frauen an. 2011 lagen beide Geschlechter noch fünf Jahre auseinander, im Jahr 2060 soll der Unterschied nur noch vier Jahre betragen.
Dieser Umstand führt dazu, zusammen mit der niedrigen Fertilitätsrate in Deutschland, dass die Bevölkerung immer älter wird. Der schon hohe Anteil von ca. 21% an über 65-jährigen in der Gesamtbevölkerung im Jahr 2011 steigt in den nächsten Jahren stark an auf geschätzte 34% im Jahr 2060.
Dementsprechend wird es in Zukunft für Ladengeschäfte auch immer wichtiger, den Wünschen der älteren Kundschaft entgegen zu kommen. In einer Umfrage von forsa wurden 1.000 Personen befragt, was ihnen im Alter wichtig ist in ihrem Wohnumfeld. Dabei wurden Einkaufsmöglichkeiten und Barrierefreiheit der Wohnung oder des Wohnviertels sehr oft als „wichtig“ oder sogar „sehr wichtig“ genannt. Es besteht bei den Menschen also durchaus eine Nachfrage an Barrierefreiheit und Einkaufsmöglichkeiten. Wer heute noch kein barrierefreies Geschäft betreibt, sollte dies für die Zukunft wohl besser ändern. Richtig gemacht, wird es zu einem wertvollen Wettbewerbsvorteil, wie folgender Artikel ausführlich erklärt: Friseureinrichtungen: 10 Tipps zur Barrierefreiheit als Wettbewerbsvorteil
Ich wusste noch gar nicht, dass man die Barrierefreiheit des eigenen Ladens zertifizieren kann. Ich beschäftige mich nur ungern mit der Einrichtung von Geschäften, eher mit den Produkten, die ich verkaufen will. Aber vielleicht lohnt es sich auch an solche Zertifizierungen zu denken.